Detaillierter Erkenntnisgewinn durch qualitative Forschung
Bei der Masterarbeit wird vorausgesetzt, dass die Studierenden sich auf ihrem Fachgebiet hervorragend auskennen. Dazu gehört auch die Durchführung qualitativer Forschungsmethoden, die vor allem bei komplexen Zusammenhängen eingesetzt werden.
Um eine akademische Forschungsfrage beantworten zu können, müssen zunächst einmal Daten erhoben werden, die zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik herangezogen und interpretiert werden können. Der Begriff „Daten“ umfasst in diesem Zusammenhang zunächst ein breites Spektrum von Informationen: Erkenntnisse aus der Primär- und Sekundärliteratur zu einem Thema, Zahlen und Fakten sowie Versuchsergebnisse.
Unterteilt werden wissenschaftlich erhobene Daten in sog. qualitative und quantitative Daten. Je nach Studienfach können qualitative und quantitative Forschung einzeln oder in Kombination angewendet werden, um zu neuem Wissen und neuen Erkenntnissen zu gelangen. Dabei umfasst die qualitative Forschung sämtliche Daten, die nicht standardisiert oder statistisch erhoben werden: Dokumente, Interviews, Gruppendiskussionen und Beobachtungen werden genutzt, um qualitative Ergebnisse zu erhalten.
Qualitative Forschung - schnell erklärt
Was ist qualitative Forschung?
Als qualitative Forschung bezeichnet man wissenschaftliche Methoden, die abseits statistischer, standardisierter Verfahren auf Erkenntnisgewinn abzielen. Daten werden hier im Zuge sog. qualitativer Verfahren erhoben und analysiert.
Wofür wird qualitative Forschung eingesetzt?
Fachbereiche, in denen qualitative Forschung eingesetzt wird, beschäftigen sich häufig mit komplexen Zusammenhängen. Wenn nur wenig Vorwissen besteht, kann ein qualitatives Datenerhebungsverfahren das sinnvollste Mittel sein, um tiefere Einblicke in einen Sachverhalt zu erlangen.
Wie wird qualitative Forschung durchgeführt?
Die qualitative Forschung folgt einem zirkulären Ablauf: Zunächst wird die qualitative Forschungsmethode ausgewählt, die zum Einsatz kommen soll. Anschließend wählt man die Personen aus, die an dem Forschungsverfahren teilnehmen sollen. In einem dritten Schritt erfolgt die Erhebung der Daten, die in einem weiteren, abschließenden Schritt analysiert und bewertet werden.
Welche qualitativen Methoden gibt es?
Zur Auswahl stehen insgesamt 6 Methoden: das Interview, die Gruppendiskussion, die Beobachtung, die Einzelfallstudie, die qualitative Inhaltsanalyse und das qualitative Experiment.
Welcher Vorteile bietet die qualitative Forschung?
Im Vergleich zur quantitativen Forschung bietet die qualitative Forschung einige wichtige Vorteile. So ist z. B. bei einem qualitativen Forschungsverfahren eine kleine Stichprobe ausreichend. Zudem wird mit der Forschung neues Wissen generiert. Vor allem in Interviews und Diskussionen erhält man anschauliche Antworten, die detailliert und subjektiv sind.
Beispiele für qualitative Forschungsmethoden
Zwar verzichtet die qualitative Forschung auf standardisierte Verfahren und die Erhebung statistischer Daten, bietet jedoch ein durchaus breites Spektrum von Methoden. In der folgenden Übersicht nehmen wir eine Auswahl der qualitativen Forschungsmethoden genauer unter die Lupe:
Qualitative Forschungsmethoden wie das Interview, die Gruppendiskussion oder die Beobachtung werden häufig in sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Studienfächern gewählt. Auch ökonomische Sachverhalte und deren Auswirkung auf die Gesellschaft lassen sich gut durch qualitative Forschungsmethoden abbilden. Darüber hinaus kommen diese Methoden auch in der Psychologie, in der Betriebs- und Volkswirtschaft sowie in der Pädagogik zum Einsatz.
Vorgehensweise bei der qualitativen Forschung
Bevor mit der qualitativen Forschung begonnen werden kann, müssen zunächst Thema und Fragestellung der Masterarbeit gefunden sein. Ausgehend von der Problemstellung, die der Forschungsfrage zugrunde liegt, können bereits theoretische Vorüberlegungen zu dem Kern oder den Ursachen eines bestimmten Sachverhaltes angestellt werden. Im nächsten Schritt können Hypothesen aufgestellt werden, die mithilfe der qualitativen Forschung überprüft werden.
Thema/Problemstellung —> Forschungsfrage —> theoretische Vorüberlegungen —> Hypothesen —> Überprüfung durch qualitative Forschung
An dieser Stelle erst beginnt die qualitative Forschung tatsächlich, und zwar mit der Auswahl einer geeigneten Methode. Es können mehrere Methoden miteinander kombiniert werden. Wird ergänzend zur qualitativen Forschung auf quantitative Forschung betrieben, spricht man von Mixed Methods. Nachdem die Forschungsverfahren durchgeführt wurden, können die Ergebnisse analysiert werden - ein Ergebnisbericht und dessen Präsentation in der Masterarbeit schließen die qualitative Forschung ab.
Auswahl einer oder mehrerer geeigneter Methoden —> Durchführung —> Analyse der Ergebnisse —> Ergebnisbericht
Damit die Durchführung von qualitativen Forschungsmethoden zufriedenstellend erfolgen kann und ein verwertbares Ergebnis erzeugt, sollten folgende Grundsätze beachtet werden:
- Anpassung an den Forschungsgegenstand: Sowohl die Forschungsmethode als auch das Verfahren der Ergebnisanalyse sollten an die Forschungsfrage sowie die äußeren Gegebenheiten angepasst werden
- Offenheit und Verzicht auf Vorurteile: Die qualitative Forschung sollte unter der Voraussetzung durchgeführt werden, dass Unvoreingenommenheit gegenüber dem Wissen des Fachgebietes herrscht. Dies und der bewusste Verzicht auf Vorurteile ermöglichen Erkenntnisgewinn.
- Kommunikation: Um möglichst viele Informationen, Einsichten und Erkenntnisse zu sammeln, müssen während der Forschung Interaktion und Kommunikation stattfinden.
- Prozesshaftigkeit und Reflexivität: Die qualitative Forschung folgt einem zirkulären Prozess, in dem sich einzelne Faktoren wie die Theorie, die Forschungsfrage, der Forschungsgegenstand und die Forschungsmethode gegenseitig beeinflussen.
Die angesprochene zirkuläre Strategie der qualitativen Forschung ermöglicht die Durchführung mehrerer, parallel verlaufender oder aufeinander aufbauender Forschungsprozesse. Ausgehend von einem theoretischen Vorverständnis auf der Basis des Forschungsgegenstandes und der Forschungsfrage werden eine oder mehrere Methoden ausgewählt, von denen bestimmte Ergebnisse erwartet werden. Erst wenn die Datenerhebung und -auswertung vollständig abgeschlossen wurde, wird mit der Entwicklung einer Theorie zur Überprüfung der zuvor aufgestellten Hypothesen begonnen.
Die vier Schritte, die immer wieder wiederholt werden können, sind:
- Auswahl des Verfahrens
- Auswahl der Personen
- Datenerhebung
- Datenauswertung.
Ein Verfahren für die qualitative Forschung auswählen
Wenn Sie sich dazu entschieden haben, für Ihre Masterarbeit auf die qualitative Forschung zurückzugreifen, müssen Sie zunächst eine der oben vorgestellten Forschungsmethoden auswählen. Besonders häufig sind die Beobachtung, das Interview und die Gruppendiskussion.
Innerhalb einer Methode kann wiederum zwischen verschiedenen Verfahren unterschieden werden. So teilt sich das Interview beispielsweise in das Experteninterview, das leitfadenorientierte Interview oder das problemorientierte Interview auf. Auch das Gruppeninterview kann, je nachdem welche Personen hier aufeinandertreffen und ob diese durch einen Moderator angeleitet werden oder nicht, unterschiedliche Ergebnisqualitäten aufweisen. Sowohl das Interview als auch die Gruppendiskussion gelten als effektive Mittel für den Erkenntnisgewinn. Ist Ihr Forschungsgegenstand jedoch nur schwer zugänglich und besitzt einen erforschenden Charakter, eignet sich ggfs. eine teilnehmende Beobachtung besser für Ihre Masterarbeit.
Personen für die qualitative Forschung auswählen
Die Auswahl der Personen für die qualitative Forschung richtet sich ebenfalls nach Ihrem Forschungsgegenstand. Hier ist das Ziel, Einzelpersonen oder Gruppen auszuwählen, die eine repräsentative Stichprobe ermöglichen. Faktoren, die sich auf die Zusammensetzung der Personen auswirken, sind z. B. Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Beruf, Wohnort oder Herkunftsland.
Anders als bei der quantitativen Forschung ist es nicht notwendig, riesige Gruppen auszuwählen. Auch die Datenerhebung verläuft oft schneller als bei komplexen statistischen Verfahren. Besprechen Sie Ihre Auswahl im Vorfeld am besten mit Ihrem akademischen Betreuer an der Hochschule - auf diese Weise stellen Sie sicher, dass Sie auf der richtigen Fährte sind.
Datenerhebung und Datenauswertung
Um bei der qualitativen Forschung Daten zu erheben, müssen Interviews und Gruppendiskussionen aufgezeichnet werden. Am einfachsten funktioniert dies mittels einer Audioaufzeichnung. Auch eine teilnehmende Beobachtung kann im ersten Schritt verbal aufgezeichnet werden, um eine direkte, ungefilterte Datenerhebung zu ermöglichen.
Anschließend müssen die erhobenen Daten verschriftlicht werden; der Fachbegriff für diesen Arbeitsschritt lautet Transkription.
Zur Auswahl stehen hier verschiedene Verfahren:
- wörtliche Transkription
- nicht wörtliche Transkription
- kommentierte Transkription
In einigen Fälle reicht, je nach Forschungsgegenstand und Bedeutung der Daten innerhalb der Masterarbeit, auch ein Protokoll aus, das die Ergebnisse des Interviews, der Beobachtung oder der Diskussion zusammenfasst.
Ist die Transkription erfolgt, kann zur Datenauswertung bzw. -analyse übergegangen werden. Gegenstand der Analyse sind Meinungen, Gefühle, Einstellungen - alles das, was die meisten Menschen nicht direkt äußern, sondern zwischen den Zeilen sagen. Eine tiefgehende Analyse ist besonders dann von großer Bedeutung, wenn eine besonders kleine Stichprobe genommen wurde. Doch auch eine umfangreichere Stichprobe sollte natürlich nicht oberflächlich ausgewertet werden.
Abgrenzung zur quantitativen Forschung
Dass sich die qualitative und die quantitative Forschung voneinander unterscheiden, wurde weiter oben bereits herausgestellt.
Die qualitative Datenerhebung lässt sich durch folgende Merkmale von der quantitativen Forschung abgrenzen:
- der Umfang der Datenerhebung kann deutlich geringer sein
- aus Interviews und Einzelfallstudien werden allgemeine Aussagen abgeleitet
- die Datenerhebung erfolgt nicht experimentell
- in der qualitativen Forschung ist Raum zur Entwicklung neuer Hypothesen
- die Datenanalyse erfolgt deskriptiv (beschreibend)
- die erhobenen Daten können subjektiv eingefärbt sein
Zum besseren Verständnis können Sie die Unterschiede zwischen qualitativer und quantitativer Forschung der nachfolgenden Tabelle entnehmen:
|
Qualitative Forschung |
Quantitative Forschung |
---|---|---|
Die Datenerhebung erfolgt… |
nicht-experimentell |
experimentell |
Die Forschungslogik zielt auf… |
die Entwicklung von Hypothesen |
die Überprüfung von Hypothesen |
Die Ausrichtung ist… |
holistisch (ganzheitlich) |
partikular (einen Teil betreffend) |
Erkenntnisse werden gewonnen auf… |
beschreibende, erklärende Weise |
messende, verstehende Weise |
Ziel der Forschung ist… |
die Erhebung von Daten über das Erleben von Personen |
die Erhebung von Daten über das Verhalten von Personen |
Der Forschungsprozess ist… |
offen |
auf die Überprüfung zuvor festgelegter Hypothesen ausgerichtet |
Je nach Themengebiet und Forschungsansatz kann die qualitative Forschung durch ein quantitatives, standardisiertes Verfahren ergänzt werden. Vor allem bei Einzelfallstudien ist es üblich, dass auch statistische Daten mit in die Auswertung einfließen.
Vor- und Nachteile
Es gibt viele (und gute) Gründe, sich im Rahmen der Masterarbeit für die quantitative oder die qualitative Forschung zu entscheiden.
Welche Vorteile die qualitative Forschung gegenüber der quantitativen birgt, haben wir nachfolgend aufgelistet:
- Qualitative Forschung eignet sich als Vorstudie zu einer späteren quantitativen Studie: Besteht zu Beginn der Masterarbeit nur ein geringes Vorwissen zum Fachbereich, lassen sich mit qualitativen Methoden erste Ansätze finden.
- Komplexe Zusammenhänge, die sich statistisch nur schwer erforschen lassen, sind nur bedingt für quantitative Verfahren geeignet.
- Bei einer kleinen Personengruppe oder im Falle eines Einzelinterviews können die erhobenen Daten im Sinne einer quantitativen Studie kaum als repräsentativ gelten. Eine qualitative Methode führt hier eher zum Ziel.
- Weil sie auf Erkenntnisgewinn und Hypothesenbildung setzt, bietet die qualitative Forschung die Möglichkeit, durch offene Fragen neues Wissen zu bilden.
- Weil qualitative Forschung tiefgründiger ist, lassen sich auch mit geringen Stichproben detaillierte Ergebnisse erzielen.
Trotz aller Vorteile hat die qualitative Forschung jedoch auch einige Nachteile zu verzeichnen:
- Interviews, Beobachtungen und Gruppendiskussionen sind nur eingeschränkt objektiv.
- Auch die Datenauswertung folgt subjektiven Gesichtspunkten.
- Datenanalyse und Datenauswertung sind sehr komplex und lassen sich nicht durch Software automatisieren.
- Eine umfassende qualitative Forschung erfordert mehr Zeit.
- Die Ergebnisse können nicht auf eine größere Gruppe von Personen verallgemeinert werden.
Mixed Methods: Qualitativ trifft quantitativ
Der Begriff Mixed Methods beschreibt die Kombination von qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden. In vielen wissenschaftlichen Arbeiten, so auch der Masterarbeit, kann es sinnvoll sein, auf eine Mischung beider Verfahren zurückzugreifen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Ein Grund, warum die beiden Verfahren so oft miteinander kombiniert werden, liegt auch darin, dass sie jeweils ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile aufweisen - in der Verwendung einer Kombination verspricht man sich, sämtliche Vorteile auszuschöpfen, während die Nachteile gleichzeitig ausgeglichen werden.
Zusammenfassung
- Die qualitative Forschung unterscheidet sich in verschiedenen Punkten von ihrem Gegenstück, der quantitativen Forschung, u. a. in der Art der Datenerhebung, im Ziel und in der Untersuchungsanordnung.
- Die häufigsten qualitativen Forschungsverfahren sind Interview, Gruppendiskussion und Beobachtung.
- In vielen Fällen werden qualitative und quantitative Methoden kombiniert angewendet, um einen höheren Erkenntnisgewinn zu erzielen (sog. Mixed Methods).
- Qualitative Forschung eignet sich insbesondere bei komplexen Zusammenhängen oder wenn nur ein geringes Vorwissen über den zu untersuchenden Gegenstand besteht.
- Die Auswahl der Forschungsmethode, der Personen und die Durchführung sollten im Vorfeld detailliert mit dem akademischen Betreuer besprochen werden.